Freitag, 29. Mai 2020

Urteil: Bundessozialgericht lässt Versicherte im Stich

VdK kündigt Verfassungsbeschwerde an


Bei den Krankenkassen in Deutschland knallen die Sektkorken: Die Kassen können künftig in aller Ruhe Anträge liegen lassen und Fristen versäumen. Eine versäumte Kassenfrist führt nicht mehr zu einem Sachleistungsanspruch der Menschen im Land. So steht es in einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG). Der Sozialverband VdK hält das Urteil (Az.: B 1 KR 9/18 R) für versichertenfeindlich. 
VdK-Präsidentin Verena Bentele kündigt eine Verfassungsbeschwerde an: „Wir bedauern es, dass der Erste Kasseler Senat den Krankenkassen einen Blankoscheck für langsames Arbeiten ausstellt. Das Urteil benachteiligt einseitig die gesetzlich Versicherten. Für uns ist das Gleichheitsgebot verletzt. Wir werden Verfassungsbeschwerde erheben.“
Nach bisheriger Rechtsprechung hatten die Krankenkassen drei Wochen Zeit, Leistungsanträge zu bearbeiten und zu entscheiden. Hielten die Kassen die Fristen nicht ein, galt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. So steht es auch im Sozialgesetzbuch. Diese Regel hatte das BSG zuletzt noch im August 2019 (Az.: B 1 KR 36/18 R) bestätigt. Der neue BSG-Präsident Rainer Schlegel und der zuständige Erste Senat kippten am gestrigen Dienstag, den 26. Mai, diese versichertenfreundliche Rechtsprechung. 

Konkreter Fall

Der Sozialverband VdK vertritt die Interessen eines Klägers, der unter einer speziellen Krankheit leidet, die unter anderem Gehstörungen verursacht. Sein Arzt behandelte ihn mit einem Medikament, das nur bei Multipler Sklerose zugelassen ist. Der Patient nahm das Medikament auf eigene Kosten und es half, so dass sein Arzt die Kostenübernahme durch die Krankenkasse beantragte. Erst nach über drei Monaten lehnte die Kasse ab. Da alle Fristen verstrichen waren, ging die Vorinstanz, das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, davon aus, dass die Behandlung als fiktiv genehmigt gilt. Diese Entscheidung hob das BSG nun auf.