Donnerstag, 27. Februar 2020

Coronaviren - BARMER verlängert Infohotline

Lage in Deutschland spitzt sich zu


Foto: BARMER


Der neuartige Coronavirus breitet sich in Europa weiter aus, nun sind auch in Deutschland weitere Fälle bekannt geworden. Angesichts dieser neuen Entwicklung verlängert die Barmer ihre Hotline zum Coronavirus. Experten geben hier Tipps, wie man sich und die Familie schützen kann und bereits Verdachtsfälle erkennt. „Das Coronavirus ist ernst zu nehmen. Eine Panik ist aber nicht angebracht. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen wissen, wann tatsächlich Gefahr droht und wie sie sich bestmöglich schützen. Medizinexperten geben Tipps, die auf dem aktuellen medizinischen Stand der Forschung basieren“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. 

Die kostenlose Hotline steht uneingeschränkt allen Bundesbürgern rund um die Uhr zur Verfügung unter 0800 84 84 111.

 

Krankenkassen übernehmen Test bei Verdachtsfällen

 

Bei einer Infektion mit dem Coronavirus zeigten sich meist Symptome wie bei einer Erkältung wie zum Beispiel Fieber und Husten. Bei einem Verdachtsfall solle die betroffene Person möglichst schnell einen Arzt kontaktieren, so Marschall. Die Krankenkassen übernähmen die Kosten für den Test auf den Coronavirus bei begründeten Verdachtsfällen. Anspruch auf diesen Test haben Risikogruppen wie Personen, die Kontakt zu einer infizierten Person hatten oder sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben.

 

Gute Händehygiene ist das A und O

 

Die Menschen könnten bereits einiges tun, um sich zu schützen. Dazu gehöre eine sehr gute Händehygiene sowie die Einhaltung der Husten- und Nies-Etikette, so Marschall. Wer in Kontakt zu einem Verdachtsfall stehe, solle wie auch bei Grippe- oder Erkältungspatienten möglichst ein bis zwei Meter Sicherheitsabstand halten. Dies gelte umso mehr, solange nicht klar sei, ob die betreffende Person tatsächlich das Coronavirus habe. Alle wichtigen Fragen rund um das Coronavirus beantwortet die BARMER auch im Internet.

Fragen und Antworten zum Coronavirus unter www.barmer.de/p014554

Mittwoch, 26. Februar 2020

Bundesverfassungsgericht kippt Verbot organisierter Sterbehilfe

Karlsruhe gibt Klägern Recht


(gwk) Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zum Suizid für verfassungswidrig erklärt. Es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

Das schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen. Der Strafrechtsparagraf 217 mache das weitgehend unmöglich. Geklagt hatten Kranke, Ärzte und Sterbehelfer.

In Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs steht: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt …, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."  Er sollte dazu dienen, Geschäfte professioneller Sterbehelfer zu unterbinden. Der Bundestag wollte mit der 2015 verabschiedeten Regelung das Auftreten von Sterbehilfevereinen eindämmen. Diese hatten ebenso wie Ärzte und Schwerkranke Verfassungsbeschwerden eingereicht.

„Im Namen des Volkes“, verkündete das Bundesverfassungsgericht heute, dass der Paragraf 217 nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Gesetz sei „mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig“, hieß es in der Erklärung des Bundesverfassungsgerichts.

Einen Anspruch auf Sterbehilfe gebe es hingegen nicht. Das Urteil verpflichtet also keinen Arzt, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten.

Mittwoch, 19. Februar 2020

"Apps auf Rezept": AOK sieht Mängel bei Datenschutz und Nutzennachweis

Kritik am Verordnungs-Entwurf zu digitalen Gesundheitsanwendungen

 


Grundsätzliche Zustimmung zu den neuen "Apps auf Rezept", aber deutliche Kritik an den Regelungen zu Datenschutz und Nutzennachweis - so lässt sich die Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes zum Referentenentwurf für die "Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung" (DiGAV) zusammenfassen. 

"Wir begrüßen die Möglichkeit, dass die gesetzlichen Krankenkassen künftig digitale Gesundheitsanwendungen mit niedrigem Risiko erstatten können", betont der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch. Allerdings sieht die AOK in ihrer Stellungnahme zur Anhörung im Gesundheitsministerium erheblichen Änderungsbedarf bei einzelnen Regelungen der Verordnung. Das betrifft vor allem den Nutzen der digitalen Anwendungen, die Patientensicherheit und die Sicherheit der in den Anwendungen gespeicherten Gesundheitsdaten, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überprüft werden soll.

"Die Verordnung legt zwar Anforderungen zum Datenschutz fest, aber es ist nicht vorgesehen, dass das BfArM die Einhaltung dieser Vorgaben auch überprüft", kritisiert Litsch. Das Bundesinstitut solle seine Entscheidungen alleine auf Basis von Eigenangaben der Hersteller treffen. Außerdem seien bei Verstößen gegen die Datenschutz-Anforderungen keine Sanktionen vorgesehen. "Zuletzt haben Gesundheits-Apps immer wieder durch Datenschutzmängel Schlagzeilen gemacht. Deshalb kann es nicht angehen, dass das BfArM bei diesem Thema als zahnloser Tiger agiert", so Litsch. Der AOK-Bundesverband fordert, dass das Institut eine Prüfverantwortung für die Einhaltung der Datenschutz-Regelungen erhält. "Dann könnte es unabhängig überprüfen, dass wirklich keine Daten an Dritte abfließen", so Litsch. Zudem müsse die Verordnung durch Regelungen ergänzt werden, nach denen alle Möglichkeiten der Daten-Minimierung ausgeschöpft werden: "Es besteht ja in der Regel keine Notwendigkeit, dem Anbieter die Identität des Nutzers offenzulegen. Die Übermittlung von Personendaten an die Hersteller und Plattform-Betreiber sollte nach Möglichkeit vermieden werden", fordert Litsch.

Richtig ist aus Sicht des AOK-Bundesverbandes die Klarstellung in der Verordnung, dass die "Apps auf Rezept" frei von Werbung sein müssen. "Allerdings ist es nicht verboten, dass in den Anwendungen In-App-Käufe angeboten werden", kritisiert der Verbandschef. So gibt es auf dem Markt beispielsweise Apps für Patienten mit Diabetes mellitus, in denen Blutzucker-Teststreifen aus dem Mutterkonzern des App-Herstellers verkauft werden. "Die Querfinanzierung einer App durch solche Vertriebswege sollte ausgeschlossen sein, wenn die gesetzlichen Kassen die Kosten für die Nutzung durch die Patienten übernehmen."

Echter medizinischer Nutzen für Patienten entscheidend


Der AOK-Bundesverband begrüßt es, dass die Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen laut DiGAV-Entwurf verpflichtet werden sollen, die positiven Versorgungseffekte ihrer Anwendung nachzuweisen. "Für die Patienten ist es aber entscheidend, dass medizinische Anwendungen, die von den Kassen erstattet werden, einen echten medizinischen Nutzen bieten. Wenn es nur um ein bisschen mehr Komfort bei möglicherweise schlechterem medizinischem Nutzen geht, sollte das nicht von der Solidargemeinschaft bezahlt werden", stellt Martin Litsch klar. 

Beim Nutzennachweis sieht die AOK in der Verordnung dringenden Nachbesserungsbedarf: Zum einen könnten auch Studien mit sehr niedriger Qualität mit ungeeigneten Vergleichsgruppen herangezogen werden, um den Nutzen zu belegen. Hier müssten die Anforderungen an die Studien abhängig vom Risiko einer digitalen Gesundheitsanwendung präzisiert werden. 

Zum anderen können die Hersteller den Nutzen ihrer Anwendung laut Verordnung auch durch "patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung" begründen. 

Dazu gehören zum Beispiel eine leichtere Erreichbarkeit des Zugangs zur Versorgung oder die Reduzierung der therapierelevanten Aufwände. Viele dieser "Verfahrens- und Strukturverbesserungen" werden aus Sicht der AOK schon per se von jeder digitalen Anwendung erfüllt. Zudem betrifft dieses Kriterium vor allem Apps, die medizinische Leistungen ersetzen sollen. "Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, weil diese Apps nicht nachweisen müssen, dass ihr medizinischer Nutzen mindestens gleich hoch ist wie bei der medizinischen Maßnahme, die sie ersetzen", kritisiert Litsch. 

Als Beispiel nennt er Frühwarn-Apps bei Hautkrebs. "Eine aktuelle Studie hat gerade erst gezeigt, dass diese Apps der ärztlichen Diagnose unterlegen sind und sogar schweren Schaden verursachen können, weil vier von 30 Melanomen bei der Anwendung nicht erkannt werden. Dann besteht das Risiko, dass der Nutzer nicht zum Arzt geht und das Melanom Metastasen bildet."

Mittwoch, 12. Februar 2020

Häusliche Pflege: Entlastungsbudget soll kommen

Bentele: „Der Bürokratiedschungel lichtet sich!“
Für eine Pflegevollversicherung

 

Verena Bentele | © Susie Knoll
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, hat in Berlin ein neues Konzept für die häusliche Pflege vorgestellt. Darin wird auch eine Forderung des Sozialverbands VdK Deutschland berücksichtigt, das sogenannte Entlastungsbudget. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland Verena Bentele sagt dazu:

„Menschen, die zu Hause gepflegt werden, fühlen sich oft wie im Dschungel. Keiner blickt mehr durch. Die Bürokratie überfordert die Menschen. Viele beantragen bestimmte Leistungen erst gar nicht. Mit dem neuen Konzept des Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, würde sich der Bürokratiedschungel lichten. 

Die häusliche Pflege könnte so einfacher und flexibler werden. Das wäre ein Fortschritt für die 1,77 Millionen Pflegebedürftigen in unserem Land, die zu Hause gepflegt werden.“

Pflege betrifft jeden - Für eine Pflegevollversicherung


Bentele spricht sich für eine Reform der Pflegeversicherung aus. In ihrem jetzigen Zuschnitt deckt sie nur einen Teil der Kosten in der Pflege ab:

„Pflege betrifft jeden. Pflege ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wir brauchen endlich eine Pflegevollversicherung, die alle pflegebedingten Kosten abdeckt. Deshalb müssen alle Versicherten in eine einheitliche soziale Pflegeversicherung einzahlen, also auch Beamte und Selbstständige. Um die Kommunen nicht zu überfordern, wären hier auch Steuermittel des Bundes einsetzbar. Die zu erwartenden Kosten für eine Pflegevollversicherung wären für die Versicherten und Arbeitgeber überschaubar - aber nur dann, wenn die gesetzliche und die private Pflegeversicherung nicht mehr getrennt wären.“

Hintergrund zum Pflegekonzept


Laut Konzept des Pflegebeauftragten der Bundesregierung sollen künftig Pflegebedürftigen für die häusliche Pflege zwei Budgets zur Verfügung stehen: ein Pflegebudget und ein Entlastungsbudget. Die Höhe des Pflegebudgets bemisst sich demnach am Pflegegrad und umfasst die bisherigen Pflegesachleistungen beziehungsweise das Pflegegeld. Zusätzlich fließen der Entlastungsbetrag von 125 Euro, die 40 Euro für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel und ein Teil des für die Verhinderungspflege zur Verfügung stehenden Betrags in das Budget. Das Entlastungsbudget umfasst die bisherigen Beträge der Kurzzeit- sowie der Tages- und Nachtpflege. Ebenso wird der übrige Teil des für Verhinderungspflege zur Verfügung stehenden Betrags dem Entlastungsbudget zugeordnet.

Samstag, 8. Februar 2020

Drei Jahre Cannabis-Gesetz

Mehr als zwei Drittel der Anträge werden bewilligt


Seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes im Jahr 2017 hat die Barmer bis Ende Januar dieses Jahres 14.986 Anträge auf Cannabishaltige Arzneimittel erhalten. Davon wurden 10.255, also 68,4 Prozent bewilligt und 4.731 abgelehnt. 

Das geht aus einer aktuellen Analyse der Barmer anlässlich des dreijährigen Bestehens des Cannabis-Gesetzes hervor. 

„Cannabis ist ein hoch komplexes Arzneimittel, das medizinisches Spezialwissen erfordert. Richtig eingesetzt kann es für schwerkranke Patientinnen und Patienten eine wertvolle Therapieoption sein, allerdings kein Allheilmittel. Cannabishaltige Arzneimittel sollten daher nur durch Ärzte verordnet werden, die sich mit der kompletten therapeutischen Breite des Medikamentes und seinen verschiedenen Inhaltsstoffen auskennen“, sagt Dr. Ursula Marschall, leitende Medizinerin bei der Barmer. Damit komme Cannabis als Medizin noch gezielter als bisher bei den Patientinnen und Patienten zum Einsatz, die davon tatsächlich profitieren. Auf diesem Wege dürften auch die Ablehnungsquoten weiter zurückgehen.


Zahl der Anträge über die Jahre gestiegen


Nach der Barmer-Analyse ist die Zahl der Anträge auf Kostenübernahme Cannabis-haltiger Arzneimittel in den vergangenen Jahren gestiegen. Während es sich von März bis einschließlich Dezember 2017 um 3.090 Anträge gehandelt habe, waren es im darauffolgenden Jahr 5.238 und im vergangenen Jahr 6.094 Anträge. Während die Bewilligungsquote im 2017er-Zeitraum bei 65 Prozent gelegen hatte, stieg sie im Jahr 2018 auf 72 Prozent an und ging im vergangenen Jahr zurück auf 67 Prozent. „Cannabis-Anträge werden zum Beispiel dann abgelehnt, wenn sie bei Krankheitsbildern zum Einsatz kommen sollen, für die andere Therapiealternativen noch nicht geprüft wurden“, sagt Marschall. Dagegen helfe Cannabis besonders gut bei speziellen Nervenschmerzen, die häufig stärker seien als Krebsschmerzen.

Deutliche regionale Unterschiede bei den Bewilligungen


Wie aus der Barmer-Analyse hervorgeht, wurden in den vergangenen knapp drei Jahren die meisten Anträge auf Kostenübernahme Cannabishaltiger Präparate in Bayern mit 3.029 gestellt, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (2.871) und Baden-Württemberg (1.310). 

„In Bayern gibt es auch deshalb so viele Cannabis-Verordnungen, weil es dort sei Mitte der 90er-Jahre einen Forschungsschwerpunkt an der Universität München gab. Dementsprechend erfahren sind die Ärzte mit der Formulierung der Anträge“, sagt Marschall. Dies sei nicht überall in gleichem Maße der Fall, wodurch es in manchen Regionen zu niedrigeren Bewilligungsquoten kommen könne. Diese reichten von 77,8 Prozent in Sachsen-Anhalt bis hin zu 56,4 Prozent in Hessen. „Wenn in manchen Regionen viel weniger Cannabis-Anträge bewilligt werden können als in anderen, kann dies auch an Informationsdefiziten und fehlerhaften Anträgen liegen. Hier ist zusätzliche Aufklärung erforderlich“, sagt Marschall.

Cannabis-Blüten bedenklich häufig verordnet


Laut der Analyse bekamen Barmer-Versicherte seit März 2017 fast 83.000 Packungen Cannabishaltiger Präparate im Wert von etwa 35,3 Millionen Euro verordnet. Darunter waren fast 20.000 Packungen unverarbeiteter Cannabisblüten. 

„Die Nachfrage nach Cannabisblüten ist so hoch, dass es mitunter zu Lieferengpässen kommen kann. Dabei ist deren Einsatz nicht unproblematisch. Anders als Rezepturen und Fertigarzneimittel weisen sie sehr unterschiedliche Wirkstoffmengen auf und sind schwer dosierbar“, so Marschall. 

Hier sei vor allem das ärztliche Spezialwissen bei der sachgerechten Verordnung gefragt, damit die Blüten in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebaut würden. Zudem seien Cannabisblüten auch teurer als Cannabishaltige Kapseln und Sprays.