Mittwoch, 8. März 2023

Zum internationalen Weltfrauentag 2023: Warum Frauen deutlich häufiger an Alzheimer erkranken

Hormonelle Veränderungen können auch zur Entstehung von Alzheimer beitragen

 


 

Alzheimer kann uns alle treffen – aber Frauen erkranken deutlich häufiger als Männer. Insgesamt liegt der Anteil der an Alzheimer erkrankten Frauen weltweit bei rund zwei Drittel, für Deutschland entspricht dies einer Zahl von etwa 800.000 Betroffenen. 

Forschende hatten dieses Ungleichgewicht lange der höheren Lebenserwartung von Frauen zugeschrieben, da der größte Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit das Alter ist. Heute weiß man jedoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Alzheimer erkrankt, ist höher als bei einem Mann, unabhängig von der jeweiligen Lebenserwartung. 

Als wichtigste Ursache gilt dafür mittlerweile der weibliche Hormonhaushalt, exakt erforscht sind die Zusammenhänge bislang jedoch nicht. Zum Weltfrauentag am 8. März informiert die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.V. über den aktuellen Stand.

Eine Ursache dafür, warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken, wird im unterschiedlichen Hormonhaushalt von Männern und Frauen vermutet. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Sexualhormon Östrogen zu. Was viele nicht wissen: Östrogene regeln nicht nur die Reproduktionsfähigkeit von Frauen, sondern sind auch entscheidend am Hirnstoffwechsel und damit an kognitiven Prozessen wie Denken, Erinnern, Orientieren und Sprechen beteiligt. So sind Östrogene im Gehirn wichtig für den Schutz und den Energiestoffwechsel der Nervenzellen. Sie regulieren die Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zellen für die nötige Energie sorgen und die Verknüpfung zwischen den Nervenzellen fördern. Außerdem trägt das Hormon zum Schutz und zur besseren Durchblutung der Nervenzellen bei und verhindert so, dass sich die für Alzheimer typischen Amyloid-Plaques ablagern.

In den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel, was unter anderem auch die Energieversorgung und den Schutz der Nervenzellen beeinträchtigen kann. Eine mögliche Folge: Es treten kurzfristig Wechseljahresbeschwerden auf, die die Kognition betreffen – wie Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Mittelfristig können diese hormonellen Veränderungen aber auch zur Entstehung von Alzheimer beitragen. Das belegen in unterschiedliche Studien die Neurowissenschaftlerinnen Roberta Diaz Brinton, Direktorin des Center for Innovation in Brain Science an der University of Arizona und Lisa Mosconi, Leiterin der Women´s Brain Initiative und Direktorin der Alzheimer´s Prevention Clinic am Weill Medical College New York.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Länge der Reproduktionsphase von Frauen, also der Zeitraum zwischen der ersten Periode und der Menopause. Frauen, die 21 bis 34 Jahre fruchtbar waren, haben ein 26 Prozent höheres Demenzrisiko, als Frauen mit einer Reproduktionsphase von 39 bis 44 Jahren. Das deutet darauf hin, dass ein spätes Einsetzen der Menstruation oder eine frühe Menopause das Alzheimer-Risiko erhöhen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der US-Krankenversicherung Kaiser Permanente, die 2019 im Fachmagazin Neurology veröffentlicht wurde.

Weitere Informationen zur Alzheimer-Krankheit

Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.

Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger Verein, der das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. trägt. Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeldern Forschungsprojekte engagierter Alzheimer-Forscherinnen und –forscher stellt kostenloses Informationsmaterial für die Öffentlichkeit bereit. Bis heute konnte die AFI 360 Forschungsaktivitäten mit über 14,5 Millionen Euro unterstützen und über 925.000 Ratgeber und Broschüren verteilen. Interessierte und Betroffene können sich auf www.alzheimer-forschung.de fundiert über die Alzheimer-Krankheit informieren und Aufklärungsmaterial anfordern. Ebenso finden sich auf der Webseite Informationen zur Arbeit des Vereins und allen Spendenmöglichkeiten. Botschafterin der AFI ist die Journalistin und Sportmoderatorin Okka Gundel.

Dienstag, 7. März 2023

DAK-Studie zeigt Reformbedarf in der Pflege: Sozialhilfequote in Heimen bis 2026 bei 36 Prozent

DAK-Chef Storm fordert Begrenzung der Sozialhilfequote auf unter 30 Prozent

 


Armutsfalle Pflegeheim: Durch die massiv gestiegenen Kosten in der stationären Pflege erreicht die Belastung der Pflegebedürftigen trotz der jüngsten Reformschritte bereits in diesem Jahr ein neues Rekordniveau. Das zeigen neue Berechnungen des Bremer Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Heinz Rothgang im Auftrag der DAK-Gesundheit. Trotz deutlich gestiegener Alterseinkünfte wird der Anteil der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner, die Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssen, im Laufe dieses Jahres wieder auf ein Drittel anwachsen und bis 2026 voraussichtlich 36 Prozent betragen. Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, fordert als neue pflegepolitische Zielsetzung von der Bundesregierung, die Sozialhilfequote in Pflegeheimen auf unter 30 Prozent zu begrenzen. Der Finanzbedarf von 14 Milliarden Euro für eine umfassende Pflegereform erfordere einen fairen Finanzierungsmix aus Steuern und Beiträgen.

Die Eigenanteile in der stationären Pflege steigen kontinuierlich. Einzelne Reformmaßnahmen wie die Einführung von gestaffelten Leistungszuschlägen im Januar 2022 (GVWG) und das im Januar in Kraft getretene Wohngeld-Plus-Gesetz konnten die finanzielle Belastung der Pflegebedürftigen etwas vermindern. „Diese Schritte waren wichtig. Sie sind aber nicht ausreichend, um die Kosten durch die enormen Preissteigerungen sowie das Tariftreuegesetz wirksam zu begrenzen,“ warnt DAK-Chef Andreas Storm. „Es wird höchste Zeit, dass wir den durch diese Reformschritte gewonnenen Spielraum nutzen, um eine tragfähige und solidarische Reform der Pflegeversicherung auf den Weg zu bringen. Ziel muss es sein, dass weniger als 30 Prozent der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen sind.“

Stationäre Pflege bleibt Sozialhilfefalle

Trotz der bisherigen Reformen werden ab Mitte dieses Jahres im Durchschnitt Eigenanteilswerte erreicht, die höher sind als jemals zuvor, so die Berechnungen von Heinz Rothgang, Professor für Gesundheitsökonomie an der Universität Bremen. Für Pflegebedürftige, die weniger als zwölf Monate im Heim leben, reduziert sich der Eigenanteil um fünf Prozent, er lag aber auch 2022 bei bundesdurchschnittlich mehr als 1.000 Euro – Tendenz steigend. „Die Entlastungen der jüngsten Reformschritte sind bei den Eigenanteilen schon in diesem Jahr verpufft,“ so Rothgang. Lediglich für die Pflegedürftigen mit mindestens dreijähriger Pflegedauer im Heim habe die Reform eine Entlastung gebracht, die auch bis 2026 anhält.

Diese Kostensteigerungen wirken sich auf die Sozialhilfequote (Hilfe zur Pflege) aus: Vor Umsetzung der verschiedenen Reformregelungen seit dem 1. Januar 2022 erreichte die Quote mit 36,8 Prozent ihren höch­sten Wert seit Einführung der Pflegeversicherung. Dieser Wert konnte im vergangenen Jahr durch die Ein­füh­rung der Leistungszuschläge auf ca. 30,5 Prozent reduziert werden. Aber bereits in diesem Jahr wird die Sozialhilfequote trotz einer überdurchschnittlichen Rentensteigerung von mehr als sechs Prozent wieder auf 32,5 Prozent ansteigen. 2026 werden bereits wieder 36 Prozent erreicht.

„Damit haben die Reformelemente des GVWG nur einen begrenzten, vor allem aber nur einen temporären Effekt“, betont Gesundheitsexperte Rothgang. Sollten die Ziele der Pflegeversicherung nicht komplett verfehlt werden, sei daher noch in dieser Legislaturperiode ein nachsteuernder Reformschritt notwendig. Immerhin: Kleine Schritte zeigen auch Wirkungen. Ohne die Maßnahmen würden sich die pflegebedingten Eigenanteile bis 2026 nicht nur verdoppeln, sondern verdreifachen. Die Sozialhilfequote läge dann bei 46,4 Prozent.

Maßnahmen zur Begrenzung der Sozialhilfequote

Insgesamt waren die Regelungen des GVWG angesichts der ungebrochenen Dynamik bei den Heimentgelten nicht ausreichend, um für eine nachhaltige Entlastung der Betroffenen zu sorgen. Das Risiko steigender Pflegekosten verbleibt überwiegend bei den Pflegebedürftigen. „Es muss deshalb, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, dringend geprüft werden, wie die kontinuierlich steigenden Eigenanteile weiter gesenkt werden können“, betont Storm. Nur so sei eine Begrenzung der Sozialhilfequote unter 30 Prozent zu erreichen.

Storm schlägt vor, die im SGB XI verankerten pauschalen Leistungsbeträge für den vollstationären Bereich erneut anzuheben. Auch die im Koalitionsvertrag angekündigte Herausnahme der Ausbildungskostenumlage aus den einrichtungsbezogenen Pflegekosten (EEE) wäre ein dringend notwendiger Schritt zur Entlastung. Eine wirksame Maßnahme könnte zudem die individuelle Anhebung der gestaffelten Leistungszuschläge sein. Im Jahr 2026 sollte eine Evaluierung der Maßnahmen erfolgen, um sicherzustellen, dass das Dreißig-Prozent-Ziel auch in den folgenden Jahren erreicht wird.

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wirksam entlasten

Darüber hinaus müsse die ambulante Versorgung gestärkt werden, so Storm: „Damit Menschen gar nicht erst ins Pflegeheim kommen, müssen wir die Pflege in den eigenen vier Wänden viel stärker fördern. Das Pflegegeld sollte noch in diesem Jahr um mindestens zehn Prozent erhöht werden. Es sollte jährlich eine Anpassung der Leistungen an die allgemeine Kostenentwicklung erfolgen und wir brauchen das im Koalitionsvertrag beschlossene Entlastungsbudget, also die Zusammenfassung der Kurzzeit- und Verhinderungspflege.“

Umsetzung des BVerfG-Urteils zur Entlastung von Familien

Eine wichtige Maßnahme ist aus Sicht des DAK-Vorstandsvorsitzenden auch die sachgerechte Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen. Hierzu hatte Professor Rothgang bereits im November 2022 für die DAK-Gesundheit Berechnungen vorgelegt. „Hier drängt die Zeit, nicht nur wegen der enormen finanziellen Belastungen der Haushalte, sondern weil die derzeitige Berechnung der Pflegebeiträge ab August schlicht verfassungswidrig ist“, sagt Storm.*

Höhere Kosten bedürfen einer fairen Finanzierung

Ein wichtiger Punkt ist für Storm, einen fairen Finanzierungsmix aus Beiträgen und Steuern zu finden, um damit die Finanzierungslücke in der Sozialen Pflegeversicherung zu schließen. Diese beträgt nach Berechnungen der DAK-Gesundheit vierzehn Milliarden Euro: Maßnahmen zur Senkung der Eigenanteile in der stationären Pflege würden bis zu vier Milliarden Euro kosten, weitere zwei Milliarden Euro wären für die zehnprozentige Anhebung des Pflegegelds und die Einführung des Entlastungsbudgets nötig. Die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils zur Berücksichtigung der Kinderzahl bei den Pflegebeiträgen würde, wenn das DAK-Modell zur Umsetzung käme, drei Milliarden Euro kosten. Schließlich muss noch das strukturelle Finanzierungsdefizit geschlossen werden, das sich mittlerweile auf rund fünf Milliarden Euro pro Jahr beläuft.

„Kindererziehung, Angehörigenpflege und die Bekämpfung des Pflegenotstandes sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die ähnlich wie die Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung aus Steuermitteln finanziert werden müssen“, sagt Storm. „Eine faire, ordnungspolitisch gebotene Finanzierung setzt voraus, dass sowohl die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger, die Beitragsentlastung der Familien bei der Kinderzahl als auch die Finanzierung der Ausbildungskostenumlage aus Steuermitteln finanziert werden. Zusammen sind das 7,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln. Die verbleibende Finanzierungslücke von 6,5 Milliarden Euro müsste aus Beitragsmitteln geschlossen werden. Das ergäbe eine Beitragssatzanhebung um 0,4 Prozentpunkte.“

*Weitere Informationen zum DAK-Modell für eine Neugestaltung der Pflegebeiträge finden Sie hier: https://www.dak.de/dak/bundesthemen/dak-modell-fuer-spuerbare-entlastung-von-familien-beim-pflegebeitrag-2587510.html#/.