Mittwoch, 30. März 2022

Apps auf Rezept

Viel genutzt - Nutzen umstritten

 


Wie läuft es mit den Apps auf Rezept seit ihrem Start? Der heute veröffentlichte DiGA-Report der Techniker Krankenkasse (TK) und der Universität Bielefeld zieht Resümee, wie die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) im Gesundheitssystem angekommen sind. Eine Patientenbefragung zeigt: 37 Prozent nutzen die Apps täglich, doch von ihrer Wirksamkeit sind nur 19 Prozent vollständig überzeugt. 

Am häufigsten App gegen Rückenschmerzen verordnet

 

Seit Oktober 2020 können Ärztinnen und Ärzte Apps auf Rezept verschreiben. Deutschland ist weltweit das erste Land, in dem die Kosten für die digitalen Helfer durch die gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Bis Ende Dezember 2021 sind bei der TK 19.025 Verordnungen für DiGA eingegangen. Am häufigsten verschrieben wurden Apps gegen Rückenschmerzen (3.947), Tinnitus (3.450) und Migräne (2.524). Mit 66,5 Prozent liegt der Anteil der Frauen bei den DiGA-Nutzerinnen und -Nutzern deutlich höher als der der Männer. Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt, dass es auffallend weniger Verschreibungen bei den unter 30-Jährigen und den über 60-Jährigen gibt. Das Durchschnittsalter der DiGA- Nutzerinnen und -Nutzer liegt bei 45,5 Jahren. "Bei der Frage, wer die Apps verschrieben bekommt, spielt nicht das Alter eine Rolle, sondern die Erkrankungen", sagt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). "Jüngeren werden die Apps seltener verschrieben, weil weniger von ihnen an den Krankheiten leiden, die die Apps therapieren."  

7.000 Ärztinnen und Ärzte haben DiGA verordnet, die meisten in Berlin

Der Report zeigt, dass die Apps in den Arztpraxen noch nicht angekommen sind. Lediglich vier Prozent aller Ärztinnen und Ärzte haben bislang Rezepte für DiGA ausgestellt (7.000 von 180.000). Auffällig ist, dass in Berlin - wo auch die meisten DiGA-Hersteller sitzen - die Verordnungsquote am höchsten ist (2.136 Rezepte, das entspricht 2,3 Rezepten pro 1.000 Versicherten). 

37 Prozent nutzen die App täglich, 34 Prozent sind unzufrieden

 
Die TK hat 244 Versicherte, die eine App verschrieben bekommen haben, zu Nutzen und Zufriedenheit befragt. Mit 84 Prozent gab die überwiegende Mehrheit an, ihre DIGA mindestens einmal pro Woche zu nutzen, davon 37 Prozent täglich. 10 Prozent gaben an, sich nur wenige Male im Monat einzuloggen. Lediglich sechs Prozent nutzen die App gar nicht. 
 
Bei der Zufriedenheit zeichnet sich ein gemischtes Bild ab: 19 Prozent der befragten geben an, dass die App ihre Beschwerden gelindert hat. 43 Prozent stimmen eher zu, dass die App ihnen geholfen hat. 34 Prozent geben jedoch an, dass die DIGA ihnen nicht oder eher nicht geholfen hat.
 

Vier App-Hersteller haben die Preise im ersten Jahr erhöht

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft, welche Apps von den Krankenkassen übernommen werden können. Im ersten Zulassungsjahr können App-Anbieter die Preise frei bestimmen und müssen anschließend einen Nutzennachweis erbringen. Der Durchschnittspreis der DiGA lag im Oktober 2020 bei 329 Euro. Inzwischen haben vier App-Hersteller die Preise im ersten Jahr noch einmal erhöht. Im März 2022 lag der Durchschnittspreis bereits bei 456 Euro. "Wir sehen, dass die Apps in der GKV-Erstattung plötzlich deutlich mehr kosten als vorher. Es ist ein Unding, dass die Preise im ersten Jahr quasi frei festgesetzt und sogar erhöht werden können", sagt Baas. "Damit DiGA sich erfolgreich dauerhaft im Gesundheitssystem etablieren können, brauchen wir faire Preise. Es muss eine Verhältnismäßigkeit geben zwischen den Kosten für DiGA und den Kosten für analoge Arztbehandlungen." Im Moment kosteten DiGA teilweise mehr als analoge Therapien - und das, obwohl der Nutzennachweis für das erste Jahr noch ausstehe. 

Der DiGA-Report zeigt anhand einer Modellrechnung, dass die geplante Höchstpreisbremse für das erste Jahr ein Papiertiger ist. Die Bremse greift erst ab 2.001 Rezepten und reduziert den Preis einer DiGA durchschnittlich lediglich um 6,6 Prozent. Ab dem zweiten Jahr werden die Preise zwischen DiGA-Herstellern und Kassen verhandelt. Bislang wurde erst eine solche Preisverhandlung abgeschlossen. Da es keine Einigung zwischen den Parteien gab, wurde der Preis von der Schiedsstelle festgelegt. Er liegt mit 225 Euro 52 Prozent unter dem Preis aus dem ersten Jahr. "Fraglich ist, ob ein vom Hersteller gesetzter Preis im ersten Jahr rückblickend als angemessen gelten kann, wenn er mehr als doppelt so hoch war wie der spätere Vergütungsbetrag, der sich insbesondere am nachgewiesenen Nutzen einer Anwendung zu orientieren hat", so Prof. Dr. Wolfgang Greiner von der Universität Bielefeld. "Sollten sich derartige Differenzen zwischen freien und verhandelten Preisen auch in den weiteren Verhandlungsergebnissen widerspiegeln, muss der Preisbildungsmechanismus im ersten Jahr kritisch hinterfragt werden." Das gelte insbesondere auch dann, wenn vorläufig gelistete DiGA ihren Nutzen überwiegend nicht oder nur teilweise belegen können. 

Nutzen muss für Kostenerstattung eindeutig belegt sein

Die Migräne-App M-Sense ist eine der ersten DiGA, die nach einem Jahr Kostenerstattung wieder aus dem Leistungskatalog der GKV gestrichen wird, weil der Nutzen nicht nachgewiesen werden konnte. Ohne belegte Wirksamkeit wurde M-Sense 15 Monate von den Krankenkassen erstattet. Bei einem Preis von 219,98 Euro sind so für die Kassen Ausgaben von mehr als einer Million Euro entstanden. "Es besteht die Gefahr, dass viele Apps den Vertrauensvorschuss nicht einhalten können, den sie im Erprobungsjahr bekommen", so Baas. "Bereits für die Listung beim BfArM muss es eine aussagekräftige Datengrundlage geben. Die bisherigen Anforderungen reichen nicht, um den Nutzen einer App abzuschätzen."

Der Nachweis der Wirksamkeit einer DiGA muss klarer auf das primäre Behandlungsziel ausgerichtet sein. Das ist derzeit nicht gegeben. Um positive Versorgungseffekte von DiGA eindeutig beurteilen und die methodischen Aspekte des Fast-Track-Verfahrens besser nachvollziehen zu können, braucht es klare Nutzenkriterien und eine größere Transparenz der Entscheidungsgründe des BfArM. "Für die Preisverhandlungen wäre es daher sinnvoll, dass das BfArM Angaben zur Evidenzqualität und zum Effektausmaß der DiGA veröffentlicht", so Prof. Wolfgang Greiner. "Nur wenn für alle an den Verhandlungen beteiligten Parteien transparent ist, in welchem Umfang die Wirkung einer DiGA nachgewiesen werden kann, ist eine faire Preisbewertung möglich."

Dienstag, 8. März 2022

Ist Alzheimer weiblich?

Warum Frauen häufiger an Alzheimer erkranken

 

Foto: Quelle „Nottebrock / Alzheimer Forschung Initiative e.V.“

Frauen erkranken deutlich häufiger an Alzheimer als Männer. Rund zwei Drittel der 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten sind weiblich. Lange ist man davon ausgegangen, dass die längere Lebenserwartung von Frauen der Grund ist, denn das Risiko an Alzheimer zu erkranken steigt mit zunehmendem Alter. Doch auch wenn man die höhere Lebensdauer herausrechnet, erkranken Frauen immer noch öfter an der häufigsten Form der Demenz. Heute geht man zunehmend davon aus, dass auch geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders im Hormonhaushalt, dazu führen, dass Frauen häufiger von Alzheimer betroffen sind. Die genauen Zusammenhänge sind allerdings noch nicht abschließend erforscht. Anlässlich des Internationalen Weltfrauentages am 8. März informiert die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.V. über die Hintergründe. 

Hormonhaushalt und Stoffwechsel von Frauen sind anders als bei Männern. Dass die weiblichen Sexualhormone, insbesondere Östrogene, die Reproduktionsfähigkeit von Frauen regeln, ist bekannt. Dass Östrogene aber auch eine wichtige Rolle für den Hirnstoffwechsel und damit für die kognitiven Prozesse im weiblichen Gehirn spielen, rückt erst langsam in den Fokus der Alzheimer-Forschung. Östrogene sind wichtig für den Schutz und den Energiestoffwechsel der Nervenzellen im Gehirn. Sie regulieren die Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zellen für die nötige Energie sorgen und die Verknüpfung zwischen den Nervenzellen fördern. Außerdem trägt der Botenstoff zum Schutz und zur besseren Durchblutung der Nervenzellen bei und verhindert, dass sich die alzheimertypischen Amyloid-Plaques ablagern. 

In den Wechseljahren ändert sich bei Frauen der Hormonhaushalt. Insbesondere die Östrogenproduktion ist stark rückläufig. Weil Östrogene nicht mehr ausreichend für die Energieversorgung und den Schutz der Nervenzellen sorgen, leiden manche Frauen kurzfristig unter Wechseljahresbeschwerden, die auch die Kognition betreffen können, zum Beispiel Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Mittelfristig können diese hormonellen Veränderungen aber auch das Alzheimer-Risiko erhöhen. Das belegen in unterschiedliche Studien die Neurowissenschaftlerinnen Roberta Diaz Brinton, Direktorin des Center for Innovation in Brain Science an der University of Arizona und Lisa Mosconi, Leiterin der Women´s Brain Initiative und Direktorin der Alzheimer´s Prevention Clinic am Weill Medical College New York. 

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Länge der Reproduktionsphase von Frauen. Frauen, die 21 bis 34 Jahre fruchtbar waren haben ein 26 Prozent höheres Demenzrisiko, als Frauen mit einer Reproduktionsphase von 39 bis 44 Jahren. Das deutet darauf hin, dass ein spätes Einsetzen der Menstruation oder eine frühe Menopause das Alzheimer-Risiko erhöhen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der US-Krankenversicherung Kaiser Permanente, die 2019 im Fachmagazin Neurology veröffentlicht wurde. 

Ob eine Hormonersatztherapie das Alzheimer-Risiko senken kann, ist bislang noch umstritten. Studien weisen darauf hin, dass es darauf ankommt, ob die künstlichen Hormone im dafür geeigneten Zeitfenster eingenommen werden. Beginnt die Hormonersatztherapie zeitnah zum Ausbleiben der Menstruation, scheint es einen positiven Effekt zu geben. Eine späte Hormontherapie kann das Alzheimer-Risiko gegebenenfalls sogar erhöhen. Bei einer Hormonersatztherapie wird der Hormonmangel, der durch die Wechseljahre entsteht, durch Medikamente künstlich ausgeglichen. 

Zum höheren Erkrankungsrisiko von Frauen tragen außerdem weitere gesundheitliche Alzheimer-Risikofaktoren bei wie Depressionen, Diabetes, Fettleibigkeit, Schädel-Hirn-Traumata, Infektionen und chronische Entzündungen. Diese Erkrankungen erhöhen zwar auch das Risiko von Männern, an Alzheimer zu erkranken. Aber bei Frauen scheinen sich diese medizinischen Probleme stärker auf den kognitiven Verfall auszuwirken. Zu diesem Schluss kommt die Neurowissenschaftlerin Lisa Mosconi, die zu diesen besonderen Alzheimer-Risikofaktoren von Frauen viele Studien zusammengetragen und ausgewertet hat. 

Seit einigen Jahren setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass in der Medizin zu einseitig auf Männer als Maßstab gesetzt wurde. Bei den meisten Studien waren die Probanden überwiegend männlich und die Ergebnisse wurden einfach auf Frauen übertragen. Das hat zur Folge, dass viele Therapien bei Frauen nicht so gut wirken oder stärkere Nebenwirkungen verursachen, als bei Männern. Seit einigen Jahren bezieht die sogenannte Gendermedizin diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten mit ein. Ziel einer solchen geschlechtersensiblen Medizin ist es, eine bessere und passendere Behandlung für Frauen zu ermöglichen.

Freitag, 4. März 2022

Angst vor Krieg ernst nehmen

BARMER schaltet Sonderhotline 

 
0800 84 84 111

Der Krieg in der Ukraine verängstigt auch hierzulande viele Menschen. Sie machen sich Sorgen, manche entwickeln sogar Panik. Wie gehen die Betroffenen mit dieser Furcht vor Eskalation und der Sorge um Angehörige und Freunde in Kriegsgebieten am besten um? Was können sie machen, damit der fortwährende Nachrichtenkonsum rund um das Kriegsgeschehen nicht zu sehr die Seele belastet? 

Immer noch versuchen Menschen mitunter, die Gefühle wegzudrücken. Experten und Expertinnen raten jedoch, sie ernst zu nehmen. Die Barmer bietet eine Anlaufstelle für Menschen, die eine Beratung brauchen, wie sie mit Sorgen und Ängsten in einer solchen Situation umgehen können. Experten geben rund um die Uhr entsprechende Tipps. 

Die Hotline ist kostenlos und steht allen Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung unter

0800 84 84 111